Unchained
Der Blick vorwärts in die Vergangenheit!

Freiheit, Loslassen und das Abstreifen von „Ketten“ sind Haltungen, die gern mit jungen, experimentierfreudigen Menschen assoziiert werden. Betrachtet man die Landwirtschaft und den Weinbau, werden solche Attribute nur selten genannt. Immerhin sind diese Kulturtechniken massiv von Menschenhand beeinflusst, egal ob es die Reberziehung, die Bearbeitung der Böden, den Schutz der Pflanzen oder letztendlich die Weinbereitung betrifft. Zwänge und „Ketten“ allenthalben, oft und gerne mit Hilfe einer systematischen Behandlungsmittelindustrie. Die Natur – die ja die zu vergärenden Früchte produziert – wird immer wieder in „gewünschte“ Richtungen gelenkt. Ja, diese menschliche Lenkung ist oft unumgänglich, doch sie sollte im Einklang mit einer gesunden Umwelt geschehen und nicht ihr zu Trotz. Heutzutage wird gerne so lange optimiert, bis vom Ökosystem nur noch „das System“ übrig bleibt. Von der lebensnotwendigen Harmonie keine Spur, eine Medizin behandelt die „Symptome“, die die Vorgängermedizin verursacht hatte.

Vergleicht man die heutige „moderne“ Wirtschafts- und Arbeitsweise mit den Methoden unserer Großeltern, wird der Unterschied deutlich sichtbar. Vielleicht konnten Opa und Oma nicht anders, doch sie behandelten ihre Ressourcen mit mehr Respekt und so, dass sie auch für die kommende Generation erhalten blieben. Ein kluger Bauer denkt eben immer auch an die Zukunft. Wie kann ein Wein-Bauer (im Wortsinne) also seine Reben, Böden und die deren Gedeihen bedingende Natur (Flora und Fauna) so behandeln, dass die „Ketten“ möglichst gelockert, abgeworfen werden können? Die Eingriffe minimieren, das natürliche Gleichgewicht stützen und die Jahreszyklen der Natur zu beobachten, anstatt zu beeinflussen? Sollten wir nicht zurück in die Vergangenheit blicken, um zukunftsfähig zu bleiben?

Arbeiten und leben lassen.

Durch die massiven Eingriffe des Menschen in die Natur ist der Weinbauer aktuell mehr gefordert denn je. So paradox das klingen mag – er sollte heute zu einer Entwicklung beitragen, durch die er im Ökosystem immer weniger notwendig wird. Je mehr sich die Natur selbst helfen kann, desto weniger Eingriffe braucht es, desto natürlicher laufen die Zyklen ab. In den Weinberg übersetzt bedeutet das, dass der Rebstock sein Gleichgewicht selbst finden kann, der Weinbauer ihn möglichst in Ruhe lässt. Gewiss: Weinbau wird nie ganz ohne unser Zutun möglich sein und wir werden auch die uns umgebenden Landschaften nicht alle zu jagdfreien Schutzgebieten erklären können. Doch darauf hinarbeiten, das sollten wir. Der Weg ist ein gutes Ziel. Auf meinem Wegweiser steht: Biodynamie.

Glaubendorf = Locusfidei

Glaubendorf: 48°30‘ N, 15.°57‘ O, 481 Einwohner. Konkret liegt dieser beschauliche Ort im westlichen Teil des Weinviertels, der nördlichsten Weinregion Österreichs, im geographischen Schnittpunkt zwischen Manhartsberg und Donau. Nur einen Katzensprung vom Nachbarn Wagram entfernt, liegen die Weingärten auf demselben, lössgeprägten geologischen Profil und auch das Klima ist ähnlich, mit kalten Wintern und warmen, trockenen Sommern. Die Natur gibt die Regeln vor. Temperatur, Regen, Sonne, Wind, Luftfeuchtigkeit, der Boden und das Leben darin, die Flora und die Fauna im Weingarten und in der Umgebung: Sie prägen die täglichen Realitäten des Terroirs.